Viel Geschichte und allerlei Geschichten

Vom Fabrikareal zur Wohnsiedlung

Am 31. Januar 1969 stellte der Architekt Walter Niehus die Pläne für die heutige Siedlung Unteres Bühl ein erstes Mal im Baukollegium der Stadt Winterthur vor. Damals liefen die Maschinen der Zwirnerei Jaeggli auf dem Gelände südwestlich des Kirchenhügels in Winterthur schon eine Zeitlang nicht mehr auf Hochtouren. Die zunehmende Deindustrialisierung führte schliesslich dazu, dass 1975 der Betrieb ganz eingestellt wurde. Noch im selben Jahr wurden die Fabrikgebäude rückgebaut und der markante Hochkamin gesprengt. Als einziger Zeuge blieb das Portierhäuschen erhalten, das heute als Künstleratelier genutzt wird.
Luftaufnahme Fabrikareal Jaeggli (Bildarchiv Winterthur).
Luftaufnahme Fabrikareal Jaeggli (Bildarchiv Winterthur).
Portierhäuschen der Fabrik Jaeggli, um 1912 (Bildarchiv Winterthur).
Portierhäuschen der Fabrik Jaeggli, um 1912 (Bildarchiv Winterthur).

Widerstand gegen die Hochhäuser

Die Bauarbeiten für die Siedlung Unteres Bühl starteten 1974. Auf dem unverbauten Teil des Jaeggli-Areals – wie das Gebiet damals hiess – wurden in den folgen zwei Jahren die ersten drei Hochhäuser gebaut. Dem Baustart ging eine fast fünfjährige Planungsphase mit vielen Kontroversen voraus: Vor allem die Hochhäuser sorgten bei der Winterthurer Bevölkerung für Kritik. Dass schliesslich die Siedlung trotzdem gebaut werden konnte, ist unter anderem dem Nutzungskonzept und dem grosszügigen, sorgfältigen gestalteten Aussenraum zu verdanken.
 
Baustelle Unteres Bühl, 1981 (Bildarchiv Winterthur).
Baustelle Unteres Bühl, 1981 (Bildarchiv Winterthur).
Überbauung Siedlung Unteres Bühl, 1990 (Bildarchiv Winterthur).
Überbauung Siedlung Unteres Bühl, 1990 (Bildarchiv Winterthur).

Wohnungen für verschiedene Generationen und ein Kindergarten

Die Bauherrin – die Winterthurer Versicherungen – reagierte mit dem Bau der Wohnsiedlung nicht nur auf den Wachstumsschub in Oberwinterthur. Sie liess auch die Erfahrungen aus anderen Projekten in das neue Vorhaben einfliessen: Statt nur, wie in den 60er-Jahren üblich, Familienwohnungen zu planen, sollte im «Unteren Bühl» die Generationendurchmischung aktiv gefördert werden. 
Zwischen 1974 und 1990 entstanden in vier Etappen insgesamt 299 Wohnungen, die von einem grosszügigen Aussenraum gerahmt werden. Die parkähnliche Anlage, entworfen vom Landschaftsarchitekten Fred Eicher, ist geprägt von verschiedenen Stimmungen: Spielwiesen wechseln sich mit intimen Nischen ab, Begegnungsorte mit Rückzugszonen, öffentliche mit privaten Räumen. Parallel dazu entstand zwischen 1974 und 1977 der Doppelkindergarten «Unteres Bühl», der bis heute genutzt und von der Nachbarschaft geschätzt wird.
 
Kindergarten Unteres Bühl, 1977 (Bildarchiv Winterthur).
Kindergarten Unteres Bühl, 1977 (Bildarchiv Winterthur).
Modellbild der Siedlung Unteres Bühl, 1970er-Jahre (Bildarchiv Winterthur).
Modellbild der Siedlung Unteres Bühl, 1970er-Jahre (Bildarchiv Winterthur).

Zurück zum Ursprung

Mit dem Bau der Wohnsiedlung knüpfte das Untere Bühl wieder an seine Geschichte an: Um das Jahr 1 nach Christus legten die Römer einen Verkehrsweg zwischen Vindonissa (Windisch) und dem Bodensee an, der über Oberwinterthur führte. Entlang des Kirchenhügels entstand damals das 500 Meter lange Strassendorf Vicus Vitudurum: mit Wohnhäusern in Fachwerktechnik, einem Wasserleitungssystem und zahlreichen kleinen Werkstätten. Während dem Bau der Siedlung Unteres Bühl fanden umfassende Ausgrabungsarbeiten statt. Auf dem Platz im Nordosten des Areals sind Geschichte und die Ausgrabungsorte der römischen Siedlung mit Holzmarkierungen und Infoplakaten dokumentiert.
Modell Strassendorf Vicus Vitudurum (Bildarchiv Winterthur).
Modell Strassendorf Vicus Vitudurum (Bildarchiv Winterthur).
Ausgrabungen Unteres Bühl Vicus Vitudurum, 1981 (Bildarchiv Winterthur).
Ausgrabungen Unteres Bühl Vicus Vitudurum, 1981 (Bildarchiv Winterthur).